Vampir-Horror-Roman Nr. 287: Die Tollwütigen

Vampir-Horror-Roman Nr. 287: Die Tollwütigen


Seit Menschengedenken hatte es nicht mehr so viel Schnee gegeben im Hohen Atlas. Er bedeckte Berge und Täler, lastete auf den Hütten - seine Herrschaft bedeutete dazu Triumph des Schweigens, des Erstarrtseins, des Geheimnisvollen. Kaum wechselten Tag und Nacht miteinander, denn ein ungewisses Dämmerlicht legte sich über alle Dinge wie ein Leichentuch. Ringsum herrschte tiefe, beängstigende Ruhe, die nur hin und wieder durch das Heulen der Schakale und streunenden Hunde unterbrochen wurde; hungernde Kreaturen, die sich immer näher an das verlassen wirkende Berberdorf herantrauten. Es herrschte bittere Not. Der Paß war zugeschneit, seit Wochen war alles menschliche Leben von der Umwelt abgeschnitten, die Dorfbewohner froren und hungerten, die Vorräte gingen langsam zur Neige. Und keine Aussicht, daß sich das Wetter ändern würde, daß es einem gelingen könnte, den verschneiten Paß zu überqueren, sei es vom Dorf hinaus oder von draußen herein. Doch welche Sensation - oder war es ein Wunder? Der kleine Ben Targe sah ihn zuerst. Rasch wollte der Junge die verschneite Straße überqueren, wollte aus seiner Hütte hinüber zum Freund, um mit ihm zu plaudern, zu spielen, den nagenden Hunger vergessen - da klang wieder ein vielstimmiges Jaulen von den Bergen herunter, und Klein- Targe wandte unwillkürlich den Blick. Schon hatte er seine Schritte wieder beschleunigt, um schnell das Nachbarhaus zu erreichen, denn was er gesehen hatte, versetzte ihm einen Schrecken, weil er den schwarzen Punkt, der sich dem Dorf näherte, für einen Schakal hielt, den der Hunger verwegen gemacht hatte und der sich anschickte, ins Dorf einzudringen. Doch dann blieb er stehen, der kleine Wicht, denn endlich war ihm bewußt geworden, daß es ein Reiter war, der vom Paß herunterkam.


von Georges Gauthier, erschienen 1978, Titelbild: Vilanova
Rezension von Adee:


Kurzbeschreibung:
Spoiler folgen: Im Hohen Atlas. Der Schnee sorgt für bittere Not und Hunger. Ein abgeschiedenes Dorf wird von einem Reiter besucht, der sich als Händler ausgibt. Tatsächlich ist er ein Lykanthroph. Der Schakalmann greift die Dörfler mit einem Rudel echter Schakale an, aber die können ihn verjagen. Er landet bei der schönen Ärztin Odetta Malisle, die ihn gesundpflegt. Bevor ihn seine Veranlagung wieder gewalttätig werden lässt, geht er.
Derek Hammer, der Hexenhammer, und der Vampiropa Napoleon Drakula, sind noch immer bei den Berbern. Hammer konnte nicht verhindern, dass man Mascara Snake, die Schlangenmagierin, die nun mit ihm gegen den Dämon Lemuron kämpfen will, zum Tode verurteilt. Sie soll gesteinigt werden. Unbewusst schickt Hammer sein Überich getrennt von seinem Körper aus, und der brennende Mann kann den Berberhäuptling Ibn Idran belabern, sie in einem komplizierten Plan entkommen zu lassen.
In der Zwischenzeit kraxeln auch Vesta Banshee und Red Dunbar durch das Atlas-Gebirge. Sie begleiten den Wettermacher Chergui, der ebenfalls die Seiten gewechselt hat. Offiziell bringt er Phosphat zum Magus. Vesta beeinflusst ihn mit ihrer Hexenkraft, damit er sie zuerst zu Hammer bringt. Dummerweise stört das Cherguis Wettermacherkräfte, was das Klima in den Bergen trügerisch macht. Überschwemmungen drohen.
Prompt hat Hammer eine Vision, die ihm zeigt, wie das Berberlager einer Flut zum Opfer fällt. Aber Ibn Idran glaubt ihm nicht. Odetta Malisle wird von geheimnisvollen unheimlichen Fremden entführt, um einen geheimnisvollen Patienten zu behandeln, aber der Schakalmann rettet sie. Bei der Aktion stößt sie auf Cherguis Karawane. Gleichzeitig machen sich Hammer, Nappy und Mascara Snake aus dem Staub, aber Hammer macht aus der stillen Flucht ein Spektakel, damit die Berber ihr Lager verlassen und bei der kommenden Flut nicht ertrinken. Alles trifft sich, und die Reise zu Lemuron geht weiter.


Meinung:
Das ist der erste Roman von Georges Gauthier alias Walter Mauckner beim Hexenhammer; seine restlichen Werke veröffentlichte man dann unter Waldo Marek, damit die Illusion der Autorenvielfalt gewahrt blieb.
Nun ist Mauckner nicht unbedingt der Mann für Actionhorror gewesen, und auch beim Hexenhammer bleibt er sich treu. So gibt es viele ausführliche Naturbeschreibungen und Nebenhandlungen, während die Figuren oft und gern Monologe halten. Die eigentlichen Höhepunkte wie Mascara Snakes Befreiung oder die Überflutung des Lagers werden schnell oder auch nur indirekt abgehandelt. Am besten kommt der Autor mit Vampiropa Nappy zurecht, der hier wieder im Dienst der Sache seine Possen reißen darf, während Hammer sich auf sein unsteuerbares Überich verlässt und eigentlich wenig tut.
Wo die Ereignisse mit der Jagd auf den Magus etwas in den Hintergrund geraten, konzentriert sich der Autor mehr auf Land und Leute und die Geschichte vom Schakalmann und seiner Ärztin. Das mit dem Land klappt ganz gut, das mit den Leuten weniger, die hauptsächlich dadurch charakterisiert werden, dass sie ihren Steinzeitgesetzen frönen und häufig Inch´Allah sagen. Vor 30 Jahren galt so etwas halt noch als exotisch :-) Und die Autoren scheinen sich darauf geeinigt zu haben, dass der brennende Mann und Hammer auch zwei voneinander unabhängig agierende Personen sein können.
Und wieder präsentiert sich ein Gruselroman im Gewand von "Durch das wilde Kurdistan" mit wenig Grusel, der im Grunde lediglich schildert, wie die getrennten Helden wieder zusammenkommen, während die Quotenhorrorfigur, der Schakalmann, mit seinem Rudel bei Nacht und Wind durch das Atlas-Gebirge reitet. Und selbst Mauckners sorgfältig-behäbiger Erzählstil kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das alles eher langweilig und überflüssig ist. Aber der Folgeroman verspricht dann endlich die Auflösung der Geschichte um den Magus, seinen Dämon Lemuron und den Hexenhammer.


Besonderheiten:
- Hexenhammer Nr. 12
- Erster Roman von Walter Mauckner zur Mini-Serie


1 von 5 möglichen Kreuzen:
1 Kreuz


Kommentare zum Cover:

Wieder einmal der Oliver Reed-Werwolf und das obligatorische Opfer. Auch wenn Cover nicht unbedingt Szenen aus dem Inhalt wiedergeben müssen, hat das hier nun aber auch gar nichts mit dem Roman zu tun.


Coverbewertung:
1 Kreuz
Zusatzhinweise zu dem Cover kommen von Michael Schick:
Das Monster vom Titelbild des Romans stammt aus dem Horrorfilm der Hammer-Filmstudios "Der Fluch von Siniestro" (England 1960, Originaltitel: "The Curse of the Werewolf"). Auf dieser Kino-Aushangkarte des Films war der Werwolf ebenfalls dargestellt:

"Der Fluch von Siniestro" - Kino-Aushangkarte


Und auf dem entsprechenden DVD-Cover ist das Monster auch noch in einer etwas anderen Pose abgebildet:

"Der Fluch von Siniestro" - DVD-Cover