Vampir-Horror-Roman Nr. 275: Ahnherr des Blutes

Vampir-Horror-Roman Nr. 275: Ahnherr des Blutes


Er hatte sie in einer miesen Kneipe aufgelesen. Sieben junge Leute - drei Männer und vier Mädchen. Sie gehörten nicht einmal zusammen, waren nicht aus einer Clique. Leicht verwahrlost, ausgebrannt und ohne Dach über dem Kopf, hatten sie sofort zugegriffen, als er ihnen eine Unterkunft anbot. Ihre Namen hatte er schon wieder vergessen; er wußte nur, daß das Mädchen, das sich bei ihm unterhakte, Mady hieß. Ein knuspriges Ding von vielleicht zweiundzwanzig. Durch die Gesichtspatina aus Schmutz und tage altem Make-up konnte man einen Hauch Schönheit erahnen. Er hatte sich so wie diese jungen Leute gekleidet, und wahrscheinlich faßten sie deshalb Zutrauen zu ihm. Aber wichtiger war es ihnen vermutlich, wenigstens für eine Nacht eine Bleibe zu finden. Die sollten sie bekommen, vielleicht sogar für länger als eine Nacht. Ein Zittern durchlief bei diesem Gedanken seinen ausgemergelten Körper. Hoffentlich klappte es diesmal. Er hatte in letzter Zeit viel Pech gehabt. Und dann war da noch sein Alter. Aber nein, daran konnte es nicht liegen, er befand sich eben in einer Pechsträhne. "Wie heißt du denn eigentlich'?" "Napoleon Dra... Ah, Ula." "Und wie alt bist du, Nappy?" "Vierhun, .. Vierundfünfzig." "Siehst älter aus. Und so blaß." Sie blieb stehen und musterte ihn im Licht eines Schaufensters. "Richtig blutleer. Seine Antwort bestand aus einem unartikulierten Laut. Er mußte die Augen schließen. Wie Recht sie hatte. Ihr Gesicht war dagegen geradezu blutvoll.


von Paul Wolf, erschienen 1978, Titelbild: Sebastia Boada
Rezension von Adee:


Kurzbeschreibung:
Spoiler folgen: Brüssel. Der Vampir Napoleon Drakula, genannt Ula, ist so alt, dass er nicht mehr richtig zubeißen kann. So holt er sich junge Hippies ins Haus, sabbert an den Mädchenhälsen herum und raucht lieber einen Joint.
Derek Hammer und seine Freunde sind Professor Heyden auf der Spur, einem Mitstreiter des Magus, der einen illegalen Organhandel betreibt. Dr. Dermont hilft ihnen mit Informationen.
Ula, der gelegentlich als Laufbursche für den Magus arbeitet, will ebenfalls zum Professor. Der hat möglicherweise eine Verjüngungskur für ihn. Damit er wieder kraftvoll zubeißen kann. Damit er ein Happy-End erlebt, nicht so wie in den Vampirfilmen, die er mittlerweile mit Begeisterung sieht. Im Kino will er das mit dem Blutsaugen noch einmal versuchen auch wenn ihm der Geschmack von Blut eigentlich Übelkeit bereitet-, aber sein auserkorenes Opfer, eine Frau mit einem Schleier, hat einen Pflock dabei und erpresst ihn, ihr zu helfen.
Hammer hat eine Vision von einem alten Hippie (der kein anderer als Ula ist), der ihn in eine Falle lockt. Kurz darauf läuft er ihm in persona über den Weg. Vesta lässt sich von dem Alten ansprechen und folgt ihm in seine Kommune, wo sie vor Lachen fast zusammenbricht, als es Ula nicht mehr bringt. Der harmloseste Vampir aller Zeiten.
Hammer bringt Ula, der nun auch gelegentlich Nappy genannt wird, dazu, den Kontakt mit Heyden herzustellen. Das bringt Heydens Spießgesellen auf den Plan, Wim und Beau, zwei Züchtungen aus Heydens Labor, die ansonsten Entführungen begehen, um für Organnachschub zu sorgen. Sie erkennen die Falle und entführen Vesta. Hammer und Red nehmen die Verfolgung auf, wissen aber nicht, dass die verschleierte Frau, die Nappy erpresst, auch mitmischt. Es ist Dido, die mit Brandwunden entstellte Banshee aus Bd. 2. Sie will Hammer aus Rache auf den Scheiterhaufen bringen.
Alle kommen zusammen, Dido führt ihr Vorhaben durch, aber Hammers Überich rettet ihn vor den Flammen. Heyden bringt seine Schläger aus der Ferne um, als er den brennenden Mann sieht. Vesta, der schon das Blut abgezapft wird, kann gerettet werden, Dido bekommt von Hammer eine kosmetische Operation spendiert, falls sie ihn nun in Ruhe lässt, und Nappy enthüllt, dass seine Vampirzähne bereits die Dritten sind.


Meinung:
Humor ist sicherlich Geschmacksache. Der alte Vampir Nappy, der mit seinem Gebiss kein Blut mehr trinken kann und sich mittlerweile lieber einen Joint raucht, während er sich "Andy Warhols Dracula" im Kino ansieht, das hielten seine Schöpfer bestimmt für einen Brüller. Ernst Vlcek hatte ja einen Sinn für skurrilen Humor. Dieser Leser findet die Idee bloß zum Weinen, und je weniger darüber gesagt wird, umso besser. Auch wenn Nappy natürlich von nun an die Hammer-Mannschaft verstärkt und der "Witz" kein Ende nimmt.
Von diesem Blödsinn abgesehen bietet der Roman eine lahme Verfolgungsgeschichte. Die meisten Fragen, die aufgeworfen werden, werden nicht beantwortet. Woher kommt Napoleon Drakula, wie kommt Dido auf den Kontinent und gerade nach Brüssel, wie findet sie den Vampir, um ihn auf Hammer anzusetzen, bevor der ihm überhaupt begegnet, wer weiß, wen interessiert´s?
Der unkaputtbare Hexenhammer, der brennende Mann, rettet wie immer den Tag, im nächsten Band geht die Jagd auf Dr. Heyden weiter. Das ist nicht mal mehr Horror Light. Für Leser von Horrorsatire sicherlich ein Klassiker. Für Freunde gepflegter Gruselunterhaltung - nicht so gut.
Nach sechs Bänden ist allerdings klar, dass es keinen Sinn macht, die neue Serie mit dem Dämonenkiller zu vergleichen. Hexenhammer hat einen völlig anderen Ansatz, und die Bemühungen, keine Probleme mit dem Jugendschutz zu bekommen, sind offensichtlich. Keine Gewalt, keinen Sex, keinen Horror. Betrachtet man allerdings die doch sehr unspektakulären Geschichten und ihre oft schlampige Umsetzung, drängt sich einem der deutliche Eindruck auf, dass selbst die Serienschöpfer keine große Lust auf ihren DH 2.0 hatten. Bezeichnenderweise ist das dann auch der letzte Roman von Ernst Vlcek für die Serie, und auch Kurt Luif verfasste nur noch einen.


Besonderheiten:
- Hexenhammer Nr. 6
- Der Roman spielt in Belgien.
- Erster Auftritt des zahnlosen Vampirs Napoleon Drakula, genannt Ula oder Nappy.


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Kommentare zum Cover:

Ganz stimmungsvoll, und es hat mehr Gruselelemente als der ganze Roman.


Coverbewertung:
2 Kreuze