|
Ich muß beichten, ehe es zu spät ist. Ehe ich den Verstand verliere
oder sterbe oder spurlos verschwinde. Vielleicht lebe ich aber auch weiter
als Dr. René Martire, den alle Leute in Morlaix inzwischen als Nachfolger
seines verschrobenen Onkels kennen, obwohl ich erst vor drei Monaten seine
Praxis übernommen habe. Vielleicht besuche ich weiter meine Patienten,
lächle, grüße, öffne pünktlich um neun meine Praxis,
damit die Leute beruhigt sind, damit alles seine gewohnte Ordnung hat. Aber
das wäre dann nicht mehr ich, sondern nur noch eine Erscheinung, ein
Zombie, eine wehrlose Hülle. Ich weiß noch nicht, wie ich mich
entscheiden werde. Aber als Zombie- nein, das wäre schlimmer als der
Tod. Es begann mit Lucréce. Ich hätte ihr nie begegnen dürfen.
Oder mit dem Bagger, der sich vor dem verdammten Stein festfraß und
nicht mehr von der Stelle zu bewegen war. Oder es begann schon vor über
dreitausend Jahren. Vielleicht begann es damit, dass wir unser Schicksal
nur sehr wenig beeinflussen können. Aber für die Leute beginnt
immer alles mit einem Datum und einem Ereignis. Also beginnt es mit einem
Bagger, dem Vollmond und der ungewöhnlich hohen Flut in der Nacht zum
ersten Mal vor drei Monaten... Ich schlafe immer bei offenem Fenster. Ich
bin auch kein Nachtwandler. Ich habe nur Alpträume, wenn Vollmond ist.
Es zieht mich an wie das Wasser, das er als Flut um den Erdball treibt. Er
schien auf mein Blut einzuwirken, dessen Zusammensetzung ich als Arzt doch
genau kenne. Er verwandelt es in einen Saft mit halluzinogenen Giftstoffen,
Und er lässt mich nicht los, bis ich aufgewacht bin.