Silber-Krimi Nr. 1002: Der tote Urahn geistert wieder
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Im Namen seiner Majestät, Georg des Ersten, König von England,
verurteilt das Gericht Sie, Earl Charles of Marbleforth, wegen Mordes, begangen
an ihren vier Frauen, hiermit zum Tode. Das Urteil wird bei Sonnenaufgang
vollstreckt. Gott sei ihrer Seele gnädig!" Earl Charles' stahlgraue
Augen hefteten sich auf Richter George Pickford, einen hageren Mann, dessen
Schädel eine weiße Perücke bedeckte. Der Richter rollte die
Pergamentrolle mit dem besiegelten Todesurteil zusammen und reichte sie seinem
Schreiber zurück. Für den zum Tode Verurteilten hatte er keinen
Blick mehr übrig. Ich habe meine Frauen nicht umgebracht, Sir",
murmelte Earl Charles, der ein Samtwams, schwarze Wollstrümpfe und
Spangenschuhe trug. Dieses Urteil ist ein Justizirrtum." Er erhielt
keine Antwort. Zwei Schergen. lange Hellebarden in ihren Fäusten, traten
an seine Seite, fesselten ihm die Hände auf den Rücken und
führten ihn hinaus aus dem kahlen Gerichtssaal des Towers. Ein dunkler,
feuchter Gang tat sich vor ihnen auf. Ratten kreuzten ihren Weg und verschwanden
pfeifend in ihren Löchern. An den naßglänzenden
Quaderwänden spendeten Pechfackeln dürftiges Licht. Nach einigen
Metern ging der Weg über eine geländerlose Rundtreppe in die Tiefe.
Irgendwo tropfte Wasser monoton auf die ausgetretenen Stufen. Eine Fledermaus
zog laut flatternd an ihnen vorbei und verschwand in der Dunkelheit.
Vierunddreißig Stufen zählte Earl Charles, dessen Leben mit
achtunddreißig Jahren sein Ende durch den Henker finden sollte. Keiner
der beiden Schergen sagte etwas, als sie ihn in einen, engen Gang schoben.
Der eine zog eine schwere Bohlentür auf. In dem dahinterliegenden Verlies
brannte eine Pechfackel, Stroh bedeckte eine Ecke des nackten Bodens, daneben
stand ein Wasserkrug. Eine Ratte, die an den verschimmelten Brotresten genagt
hatte, flüchtete. Die Luft war kalt und abgestanden. Sie roch nach
Schweiß und Exkrementen. Earl Charles schien das nicht zu berühren.
Was machte es schon aus, wo er die letzten vierzehn Stunden seines Lebens
verbrachte?
von Bob Fisher (Robert F. Atkinson), erschienen ???, Titelbild: ???
Rezension von
Carswell:
Kurzbeschreibung:
Die Handlung beginnt im Jahre 1723 mit der Hinrichtung des unschuldig des
Mordes an seinen vier Frauen beschuldigten und verurteilten Earl Marbleforth.
Auf dem Schafott stößt dieser einen Fluch gegen seine Richter
und deren Nachfahren, so sie sich selbst Verfehlungen gegen ihre Mitmenschen
schuldig gemacht haben, aus. Nach der Hinrichtung des Earl erscheinen seine
verstorbenen Frauen als geisterhafte Erscheinungen, fügen dem Enthaupteten
den Kopf wieder an und steigen gemeinsam gen Himmel auf.
Gegenwart - 250 Jahre später: Im Gasthof "Green Hound" treffen sich
mehrere Nachfahren - nach außen hin allesamt ehrbare Bürger, jedoch
in einigen Fällen mit dunklen Flecken auf der weißen Weste. Unter
ihnen befindet sich auch einer, dessen Vorfahren aus Angst vor dem Fluch
ihren Namen geändert hatten. Außerdem der aktuelle Earl, Sir Percey.
Im gleichen Gasthaus ist auch John McAllister, Chef der sogenannten "Ghost
Squad" von Scotland Yard, abgestiegen. Er mischt sich in das Gespräch
der Anwesenden und ist erstaunlich gut informiert über Hintergründe
und Zusammenhänge. Es stellt sich heraus, dass bereits in der Vergangenheit
Tote unter den Nachfahren zu beklagen waren. Immer war in diesem Zusammenhang
auch vom Fluch des Earl die Rede. In der Folge werden einige der vom Geist
des Geköpften heimgesucht, ihr bevorstehender Tod wird ihnen
angekündigt. Sogar die Reihenfolge ihres Ablebens bekommen die Nachfahren
mitgeteilt. Tatsächlich kommt es auch zu Todesfällen, bzw.
Unfällen mit beinahe tödlichem Ausgang. Immer tauchen dabei auch
die geisterhaften Erscheinungen von Sir Charles verblichenen Ehefrauen auf.
Erst als McAllister die letzten Überlebenden zu Sir Percey auf das Schloss
der Marbleforths lädt, kann der Fall gelöst und zum Abschluss gebracht
werden.
Meinung:
Bob Fisher beginnt seine NEBELGEISTER mit einem eher durchschnittlichen Roman.
In fast gemächlichem Tempo wird die Handlung abgespult, sein Held
McAllister tritt kaum in Erscheinung, dominiert aber in seinen wenigen Szenen
klar die Szenerie. Hintergründe zur Person John McAllisters erfährt
der Leser zunächst nicht, und auch die Ghost Squad selbst wird allenfalls
erwähnt, ohne konkretere Angaben. Lange wird der Leser im Unklaren gelassen
(man hat nur so seine Ahnungen), ob es sich bei dem Geschehen tatsächlich
um ein übernatürliches Ereignis handelt, oder ob - wie z.B. in
den frühen Larry Brent-Romanen - alles eine natürliche Auflösung
erfährt. Dieser Roman wartet zum Schluss mit einer doppelten Pointe
auf: Zwar wurden die Opfer mittels Hypnose zu Tode gebracht, der Hypnotiseur
jedoch wird durch den Fluch angetrieben. Insgesamt etwas zu viel Krimi-Handlung,
die Sequenzen mit den vier Geisterfrauen, die als Flucherfüllerinnen
erscheinen, sind allerdings (auch wenn es sich nur um die Auswirkungen von
Hypnose handelt) hervorragend und eindringlich geschrieben. Ein erster Roman,
der auf eine Steigerung hoffen läßt.
Besonderheiten:
- Der erste NEBELGEISTER-Roman erschien - wie auch seine drei Nachfolger
-, dem Beispiel der Larry Brent-Romane folgend, zunächst in der Reihe
SIBER-KRIMI. Erst ab dem fünften Roman werden die NEBELGEISTER als Sub-Serie
in den SILBER-GRUSEL-KRIMI integriert.
- Erster Roman mit John McAllister.
- Und bevor die Erbsenzähler auf den Plan treten: Der Inhalt dieses
Romans wurde in SILBER-GRUSEL-KRIMI
Nr. 210 vom
gleichen Autor noch einmal verarbeitet. Dazu aber an anderer Stelle mehr
3 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Langweilig und nicht besonders stimmungsvoll. Das Bild ist weder vom Stil
noch von der Farbgebung her sonderlich einfallsreich.
Coverbewertung:
Ein Zusatzhinweis zu dem Cover kommt von Michael Schick:
Das Titelbild des Silber-Krimi Romans stammt ursprünglich vom Cover
des US-amerikanischen Comic-Magazins "TALES FROM THE TOMB" Nr. 10 aus dem
Jahr 1971. Auf dem deutschen Roman wurde es seitenverkehrt verwendet: