Professor Zamorra Nr. 923: Ice Road Shockers
Die Nacht war endlos, ein dunkles, allumfassendes Nichts, und Dan Rydell
in ihr verloren. Fest umklammerten seine Hände das Lenkrad der großen
Zugmaschine. es war sein Anker, ein letzter Rest Realität in einer Welt,
die nicht länger rational zu erfassen war. Einer Welt des Grauens. Die
Wucht der Erinnerung schnürte ihm fast die Kehle zu. Tränen stiegen
in ihm auf, nahmen ihm für einen Moment die Sicht. Und der Truck preschte
weiter über die Ice Road, durch die Finsternis und einem ungewissen
Ende entgegen. Über ihm rumpelte es, dann ertönte ein Schrei, boshaft
und aggressiv. Unmenschlich. Dan ignorierte ihn. Er durfte nicht darüber
nachdenken, was da auf seinem Anhänger geschah. Wenn er es tat, hatte
er schon verloren. Und er musste weiter, allen Widrigkeiten zum Trotz. Schon
möglich, dass er so gut wie tot war, aber dennoch starb die Hoffnung
erst zuletzt. Diane, vergib mir. Ich hätte nie herkommen dürfen...
von Simon Borner, erschienen am 13.10.2009, Titelbild: Candy Kay
Rezension von
Stefan (Lobo)
Albertsen:
Kurzbeschreibung:
Zu Beginn des Romans lesen wir von Dan Rydell, der am Steuer seines Trucks
über die saumäßig gefährliche Ice Road dahinjagt und
darüber nachdenkt, dass auf dem Dach seines Anhängers ein Kampf
auf Leben und Tod stattfindet. Einem der beiden Kämpfenden wünscht
er Glück. Es ist Professor Zamorra.
In weiterer Folge springt die Geschichte mal in die Vergangenheit (1934 bzw.
1936) und wir erfahren, dass ein Mann namens Jack Dellinger aufbrach, um,
in den Nachwehen der Wirtschaftskrise, hoch oben im Norden als Fahrer sein
Glück zu machen. Doch dieses Glück soll Dellinger niemals finden,
denn er kommt auf grauenhafte Weise zu Tode (Zitat:
Jack habe ausgesehen,
als sei er im Tod dem Teufel persönlich begegnet.).
In der Gegenwart wird die Jung-TV-Journalistin Jenny Moffat gemeinsam mit
ihrem Kameramann Frank Manusco nach Yellowknife geschickt, von wo aus die
Touren über die Ice Road starten. Sie soll von den Fahrten berichten
und einer eigentümlichen Sache nachgehen, denn kurz zuvor ist ein Trucker
namens Mitch Afron unterernährt und verletzt aufgefunden worden, nachdem
er wochenlang als vermisst gegolten hatte. Professor Zamorra - immer noch
im seelischen Stress wegen Nicoles Weggang - findet sich ebenfalls in Yellowknife
ein. Auch er hat von Afron gelesen und ist interessiert herauszufinden, was
hinter dessen Geschichte steckt. Außerdem will er in Kanada ein wenig
auf andere Gedanken kommen und geht deshalb den eher vagen Hinweisen nach.
Er schließt sich den Truckern an und fährt in Dan Rydells Truck
mit.
Die Tour der Trucker (ein sehr bunt gemischter Haufen) steht unter keinem
guten Stern und es kommt zu allerlei eigentümlichen Geschehnissen, aus
denen sie sich zum Teil selber herauswinden oder ihnen durch den Parapsychologen
aus Frankreich geholfen wird. Schon bald muss Zamorra erkennen, dass es etwas
sehr, sehr Böses in jenem abgelegenen Landstrich gibt, das auf sie alle
wartet, um sie zu verschlingen. Wie er diesem Bösen begegnen soll, ist
dem Meister des Übersinnlichen nicht richtig klar. Und als die finstere
Macht im Hintergrund mitten am Tag eine schier nächtliche Dunkelheit
heraufbeschwört, kommt Zamorra der Verdacht, dass er es hier mit einem
Gegner zu tun haben könnte, der vielleicht zu mächtig für
ihn ist.
Meinung:
Quatsch, Blödsinn, natürlich nicht! Zamorra besiegt den bösen
Buben selbstverständlich am Ende, auch wenn ihm dieses nur mit Hilfe
eines eigentümlichen indianischen Schamanen namens Tamoh Sierra Gilday
und - (einen Tusch bitte!) Stygia gelingt. Das urgewaltige,
überdimensionale Monster in den Wäldern ist niemand anderes als
- (noch einen Tusch bitte!) Rachban, der Irrwisch, der einst Vertrauter der
Ministerpräsidentin der Hölle war und ihr bei ihrem - ach so
bedeutenden - Experiment mit Luc Curdin (PZ
Nr. 911 "Nachtgestalten") behilflich
war. Er ist nämlich damals, nach Lucs "geheimnisvollem Tod" (wir erinnern
uns, Asmodis hat ihn getötet) zu Asmodis himself aufgebrochen (also
nach Caermardhin, wie es scheint), wo er (der unbedeutende und schwächliche
Irrwisch) den ehemaligen Fürsten der Finsternis (und immer noch
großmächtigen Erzdämon) zur Rede stellte und ihn damit
konfrontierte, dass er ihn verdächtige, Stygias großartiges Experiment
(also Luc Curdin) zunichte gemacht zu haben.
Puh, wer denkt, dass das bislang kompliziert war, der soll sich jetzt mal
anschnallen, denn jetzt wird es nicht nur nochmals kompliziert, sondern auch
noch irgendwie
ja, sorry, aber ich kann es nicht anders formulieren
unsinnig. Asmodis will Rachban nach dessen Standpauke beseitigen
(eigentlich ein Vorgang, der bei dem Kräfteverhältnis der beiden,
für den Ex-Teufel, gar kein Problem darstellen sollte). Aber irgendwas
geht schief! Rachban überlebt! Aber er überlebt nicht nur! Er wird
auch noch zur höllischen Entsprechung des Marvel-Comicbook-Schurken
Galactus und bekommt enorme Power und einen unstillbaren Hunger, den er durch
Menschenopfer (und somit deren vergossenes Blut) zumindest einzudämmen
versucht. Die für ihn am besten erreichbaren Opfer sind all jene Seelen,
die es über die Ice Road in den hohen Norden treibt.
Ach ja, ich vergaß noch zu erwähnen: Irgendwie muss Rachban (also
seine Galactus-Ausgabe) in die Vergangenheit gelangt sein, wo er sich in
Kanada ansiedelte, wuchs und mordete und tötete und wuchs und entartete
und sonstwas. Und Stygia hat inmitten der Auseinandersetzung zwischen Zamorra
und den Truckern (die sich zu so etwas wie einer Schmalspur-Tafelrunde
zusammenfinden und ihn unterstützen wollen) ihren großen Auftritt
und kämpft mit ihrem Erzfeind und dem mysteriösen Tamoh gegen Rachban,
jedoch nur, um an Informationen in dessen Hirn zu gelangen, die ihr eventuell
Aufschluss über die Herkunft des in ihr heranwachsenden "Babys" geben
könnten.
So weit so schlecht! Ich habe der Inhaltsangabe (die für meine
Verhältnisse recht kurz ausgefallen ist) bewusst unter "Meinung" noch
eine Erweiterung der Geschehnisse des Romans gegeben und dabei (ebenfalls
bewusst) darauf verzichtet auf irgendeine Spoilergefahr hinzuweisen. Was
Simon Borner bei seinem erneuten PZ-Einsatz zeigt, unterliegt einer traurig
anmutenden Gewohnheit. Er hat eine nicht uninteressante Grundidee und paart
diese mit einem atmosphärischen Handlungsort und haut dann einen Roman
raus, der langweilig, langweilig, langweilig ist. Jedes Mal, wenn die Story
spannend zu werden droht, knipst Borner den Handlungsfaden ab und setzt
später, an einer wesentlich späteren Stelle wieder an.
Action ist, auch in einem PZ-Roman, nicht das Maß aller Dinge, aber
wenn man als Autor zu Beginn eines Romans eine Situation hat, in der der
Held auf dem Dach eines Truck-Anhängers einen Kampf ausfechten muss,
dann sollte man den Lesern auch etwas von diesem Kampf präsentieren,
wenn die Handlung wieder an diesem Punkt anlangt. Die Weise wie Simon Borner
mit dieser Szene umgeht, ist fast schon exemplarisch, wie er mit dem Element
Spannung in seinen PZ-Romanen verfährt. Der Leser erlebt nämlich
lediglich den Ausgang solch einer Szene mit, wenn Zamorra nach getaner Arbeit,
blutend und erschöpft auf den Beifahrersitz zurück klettert. Der
nächste und wohl schwerwiegendste Schwachpunkt des vorliegenden Romans
ist die "Auflösung". Rachban, der schwache, zittrige Irrwisch aus
Band 911 (und da war er einer der
aus meiner Sicht, sehr rar gesäten Lichtblicke) ist zum Superdämon
mutiert, der Menschenmassen und das Sonnenlicht kontrollieren kann. Und aus
welchem Grunde kann er das plötzlich? Weil Asmodis beim Versuch ihn
zu vernichten, einen Fehler begangen hat.
Also ehrlich: Simon Borner scheint den Ex-Teufel wirklich nicht zu mögen,
denn er lässt ihn einerseits einen Jugendlichen ermorden (nochmals der
Hinweis auf PZ Nr. 911) und zum
anderen vermag er, der bislang als einer der raffiniertesten und cleversten
Charaktere im Zammyversum galt, nicht einmal mehr einen bedeutungslosen Irrwisch
zu vernichten. Obwohl! Das Asmodis da einen Fehler macht und Rachban
überlebt, hätte ich noch verknusen können. ABER damit nicht
genug. Zusätzlich wird Rachban ein dämonischer Obermufti, der sogar
dem alten Lucifuge das Fürchten hätte lehren können und dessen
Vernichtung das Zusammenwirken einer geistigen Dhyarra-Attacke durch Zamorra,
den geistigen Angriff Tamohs und die geistige Unterstützung Stygias
notwendig werden lässt. Auffallend ist hier: Wenn in einem PZ-Roman
von Simon Borner alle Stricke reißen, gibt es ja immer noch die
Möglichkeit eines "geistigen Angriffs", um den Gegner zu besiegen und
den Tag zu retten. Bin mal gespannt, wann der Autor diese Möglichkeit
wieder einsetzt. Vielleicht ja schon bei seinem nächsten Roman.Junge,
Junge! Nun will ich aber auch mal zum Ende kommen. Also! Leider hat mich
dieser Roman überhaupt nicht überzeugen können.
Die halbwegs gelungene Grundidee und der hervorragend gewählte Handlungsort
täuschen nicht über eine wirr anmutende Geschichte hinweg, die
immer dann unterbrochen wird, wenn doch mal die Chance auf etwas Spannung
besteht, und bei der kein richtiger Lesefluss entstehen will, weil immer
wieder neue Nebenhandlungen eingeschoben werden, von denen einige dann
förmlich im Sande verlaufen. Sehr schade!
Besonderheiten:
Rachban, der Irrwisch mutiert zum Superdämon!
1 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Jupp, so stelle ich mir das Cover für einen echten Action-Knaller vor.
Der Truck ist hervorragend getroffen und die verschwommene Umgebung
verstärkt den Eindruck von rasendem Tempo (wobei man sich fragen
müsste, wie jemand da noch aufrecht auf dem Anhängerdach stehen
kann, aber egal!). Die abgebildeten Personen sind klein gehalten (aber bei
Candy Kay ist dieser Umstand nicht unbedingt schlecht). Insgesamt ein
ansprechendes und Interesse erzeugendes Cover.
Coverbewertung:
Rezension von
Florian
Hilleberg:
Kurzbeschreibung:
Um sich von der Trennung Nicoles abzulenken geht Professor Zamorra
merkwürdigen Vorfällen auf den Eisstraßen in den
Nordwest-Territorien Kanadas nach. Dort nimmt er unter dem Deckmantel eines
Survival-Touristen an einem Konvoi zu einer entlegenen Goldmine teil. Bereits
nach kurzer Zeit, als die Trucker Rast am letzten Landgasthof vor ihrem Ziel
machen, erkennt Zamorra, dass sein Gespür wieder einmal goldrichtig
lag. Die Gruppe verwegener Männer und Frauen wird von einer Horde besessener
Ureinwohner attackiert, die wie wahnsinnige Zombies über ihre Opfer
herfallen. Der Parapsychologe sieht sich einem scheinbar
übermächtigen Feind gegenüber, der Menschen wie Marionetten
missbraucht und dessen Identität selbst die Ministerpräsidentin
der Hölle, in Erstaunen versetzt
Meinung:
Simon Borner wächst langsam in das Zamorra-Multiversum hinein und
überzeugt in diesem Roman durch eine interessante Hintergrundstory.
Die Ice-Road-Trucker sind ein skurriles und abenteuerlustiges Völkchen,
dessen Arbeit schon längst zum Thema eines Romans hätte gemacht
werde sollen. Allein der Schauplatz der Nordwest-Territorien ist eine Geschichte
wert und bietet Abwechslung pur, im Vergleich zu den untergründlichen
Tiefen des Weltalls oder den Straßen von Paris. Hinzu kommt, dass sich
der Autor sehr viel Mühe gibt die Handlung um Stygias Schwangerschaft
fortzusetzen. Dabei wird auch das Schicksal des sympathischen Irrwischs Rachban
geklärt, der in Band 911
"Nachtgestalten" seinen ersten Auftritt hatte. Außerdem darf Zamorra
dieses Mal völlig auf sich allein gestellt in seiner ureigenen Profession
als Dämonenjäger einen Fall der alten Schule lösen, der dennoch
mit einem überraschenden Knalleffekt endet. Alles in allem also die
besten Vorraussetzung für einen unterhaltsamen, spannenden Gruselroman,
der mehr ist als ein bloßer Lückenfüller. Bedauerlicherweise
steht sich der Autor mit seiner detaillierten, blumigen Schreibe und seiner
Vorliebe für ausschweifende Nebenhandlungen selbst im Weg. Allein die
ausführlichen Beschreibungen der Geschehnisse im Jahr 1936 haben für
die Gesamthandlung nur wenig bis gar keinen Einfluss. An dieser Stelle
hätte die Geschichte wesentlich gestrafft und flotter erzählt werden
können. Dass Borner auf eine Beschreibung des zweiten Kampfes gegen
die besessenen Indianer verzichtet trägt nicht gerade zur Spannung bei,
zumal besagte Szene auch auf dem Cover zu sehen ist. In der Charakterisierung
Zamorras fehlt es dem Autor leider immer noch an Übung. Die Vertrautheit
zum Serienhelden fehlt gänzlich und schließlich trägt auch
der Umstand, dass viele Szenen aus der Sicht der Nebenfiguren geschildert
werden, dazu bei, dass eine emotionale Distanz zum Professor entsteht. Immerhin
wird auf die Trennung von Zamorra und Nicole eingegangen und sogar als
Aufhänger der Story verwendet, doch dass einer der besten Freunde des
Professors den Verstand verloren hat und nur knapp dem Tod entronnen ist,
scheint ihn nicht sonderlich zu beschäftigen.
Fazit: Temporeiches Gruselabenteuer, dass durch unwichtige Nebenschauplätze
ausgebremst wird. Die emotionslose Charakterisierung Zamorras trübt
den Lesespaß, der durch einen originellen Plot und ein überraschendes
Finale dennoch gegeben ist.
Besonderheiten:
Der Irrwisch Rachban wurde von Asmodis in die Vergangenheit verbannt, wo
er zu einem mächtigen Dämon mutierte, darüber aber den Verstand
verlor.
Zamorra verbündet sich mit Stygia, um den außer Kontrolle geratenen
Rachban zu vernichten.
2 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Passend zum Inhalt und in seiner Umsetzung durchaus abwechslungsreich. Leider
ist die Szene nicht sonderlich realitätsnah und besonders störend
wirkt der Werbebutton.
Coverbewertung: