Professor Zamorra Nr. 907: Imperium der Zeit
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Wie es sich wohl anfühlte, wenn die Kugel durch die Schläfe drang
und das Hirn erreichte? Johann Bechtel wusste es nicht. Trotz der späten
Stunde saß der siebzigjährige Moselwinzer in seinem Büro
im Erdgeschoss des großen Hauses, das er gemeinsam mit seiner Frau
bewohnte, und studierte die unzähligen Rechnungen und Mahnbriefe auf
seinem Schreibtisch. Tage-, ach was, Wochenlang, hatte Johann erfolgreich
versucht, sie zu ignorieren. Er hatte sich schlicht geweigert, den immer
größer werdenden Stapel aus unbeantworteter Post zur Kenntnis
zu nehmen. Was waren all die schmalen, grauen Kuverts mit Sichtfenster denn
auch schon? Sachlich und neutral wirkende Kleinigkeiten, so machte es den
Anschein. Doch nur auf den ersten Blick. Denn in ihnen steckte das Potenzial,
selbst einen so mächtigen Mann wie Johann Bechtel zu stürzen. "...sehen
wir uns gezwungen, Ihr Geschäftskonto mit sofortiger Wirkung zu sperren",
las Johann erneut. Oder hier, in einem anderen Schreiben: "Es besteht dringender
Gesprächsbedarf bezüglich der Führung Ihrer Konten und der
Liquidität des Weinguts und Pensionsbetriebes Bechtel..." Blablabla.
Nichts als Geschwätz. Für Johann Bechtel gab es nur noch einen
Termin, den er einzuhalten beabsichtigte, nun, da alles zu spät war.
Und der wartete in seiner rechten Schreibtischschublade auf ihn. Im Magazin
seines kleinen Revolvers...
von Simon Borner, erschienen am 03.03.2009, Titelbild: Candy Kay
Rezension von
Stefan (Lobo)
Albertsen:
Kurzbeschreibung:
In Trier ereignen sich mysteriöse Geschehnisse. Ein Mann, gekleidet
wie ein römischer Legionär, geht um und tötet, vor den Augen
des "Meister des Übersinnlichen" - Thomas Scheuerer - einen Betrunkenen.
Scheuerer, ein Mentalist mit ausgesprochen fragwürdigem Hintergrund,
nimmt Kontakt zu Professor Zamorra auf, den er vor vielen Jahren in Worms
begegnete, und der ihn damals als Scharlatan entlarvte. Er berichtet dem
- wahren - Meister des Übersinnlichen was geschehen ist und beendet
seinen Bericht mit dem Hinweis, dass der Legionär aus einer Woge
weißen Nebels entstanden und nach Beendigung des Mordes wieder darin
verschwunden ist. Gemeinsam mit Nicole Duval reist der Parapsychologe also
nach Trier und nimmt die Spur auf, was jedoch nicht so einfach ist.
Bei einer Theateraufführung von "Julius Cäsar" erscheint der
Legionär abermals und tötet einen der Schauspieler mit seinem Speer.
Zamorra kann nichts dagegen unternehmen, denn sein Amulett hat - abermals
- eine Fehlfunktion, die ihn buchstäblich lähmt und eine Verfolgung
des Mörders verhindert. Zamorra ist ratlos und findet eine schwache
Spur, die zum Weingut eines gewissen Johann Bechtel führt, dessen Leben
seit ein paar Tagen von der unheilvollen düsteren Stimme eines
"Schattenmannes" verändert wurde. Bei den Toten handelt es sich nebenbei
bemerkt um Männer mit demselben Nachnamen. Ist das der Weg, der zur
Lüftung des Geheimnisses um den Legionär führt?
Meinung:
Ich spare mir weitere Angaben zum Inhalt, denn letztlich käme es, zumindest
aus meiner Sicht, auf dasselbe heraus. Der Roman ist langweilig! Ich bedaure,
nichts anderes hier schreiben zu können, aber das was Simon Borner mit
dem vorliegenden Heft abgeliefert hat besitzt wirkliches
"Einschläferungspotenzial". Erwähnen möchte ich jedoch dass
Borners Stil und seine Formulierungen innerhalb der Geschichte, wirklich
nicht schlecht sind. Der Mann weiß schon mit Worten umzugehen, nur
leider scheint diese vermeintliche Stärke, die offensichtliche
Schwäche dieses Romans zu sein. Borner ergeht sich einfach zu sehr in
den detailreichen Beschreibungen Triers, den weitläufigen Auszügen
der Historie um diese - zugegebenermaßen - faszinierende Stadt und
das "Imperium Galliarum" und auch ihren Kaiser Terticus I. All diese Fakten,
die sehr gut recherchiert sind, und an denen ich nicht den geringsten Zweifel
hege (dazu hätte es der Erklärung des Autoren auf der Leserseite
des Heftes wahrhaftig nicht bedurft) mögen vielleicht als Grundlage
für einen interessanten Vortrag (ähnlich dem, den Professor von
Hoyten im Verlauf der Story hält) dienlich sein, vermögen den
Konsumenten eines Horror- oder Fantasy-Heftromans jedoch eher zu behindern.
Die Verbindung zwischen dem geheimnisvollen Legionär (der dann eben
doch keiner ist) und dem Winzer Johann Bechtel, sowie der merkwürdigen
Stimme, die ihn fortwährend unter Druck setzt, ist schlicht und ergreifend
langweilig dargestellt. Herr Borner verspricht auf der Leserseite, dass offene
Fragen bezüglich dieser Geschichte noch beantwortet werden sollen, doch
ehrlich gestanden frage ich mich, ob mich das überhaupt noch interessieren
soll. Auch wenn von vornherein geplant war, die Story gewissermaßen
über mehrere Bände verteilt ablaufen zu lassen, hätte der
Autor gut, nein sogar sehr gut daran getan
a) die Handlung zu straffen und infolgedessen einen Teil seines
Geschichtsunterrichts beiseite zu schieben
und
b) zumindest ein paar Zusammenhänge zu offenbaren, um dem Leser "Lust
auf mehr" zu machen.
Da aber meines Erachtens weder das eine noch das andere angewandt wurde,
empfinde ich diesen Roman als ziemlich schwache Umsetzung einer anfänglich
interessanten Idee.
Besonderheiten:
Es kommt zu einer weiteren Fehlfunktion des Amuletts.
1 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Das Bild ist extrem "rotlastig", jedoch macht das aus meiner Sicht, den Reiz
dieses Covers aus dem Hause Candy Kay aus. Ich finde die Porta Nigra sehr
schön getroffen und die leicht schemenhaften Legionärserscheinungen
runden das unheimliche Flair ab. Diese Szene kommt zwar in der Geschichte
nicht vor, aber das macht dann auch nichts.
Coverbewertung: