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Dieses Band ist ein Nachdruck der zwei Romanhefte:
Professor Zamorra Nr. 26: Die Braut des Henkers
(Romanheft)
"Hexe!" Vielstimmig und voller Wut gellte der Schrei über den Dorfplatz.
Die gesamte Einwohnerschaft der kleinen Ortschaft Coryhead hatte sich auf
dem Marktplatz versammelt. Sie bildeten einen undurchdringlichen Ring um
den riesigen Scheiterhaufen, der unweit der alten Eiche mitten auf dem Platz
aufgeschichtet worden war. "Hexe! Hexe! Hexe!" Wieder und wieder ertönte
der Ruf. Der Wind riß die Worte von den Lippen der Leute, schleuderte
sie gegen die Mauern der niedrigen Häuser und warf sie weit hinaus in
die trostlose Landschaft. Wolkenfetzen jagten über den Himmel. Riesige
graue Gebilde türmten sich am Firmament auf und zerstoben in wallende
Schleier, um sich zu neuen Phantasiegestalten zusammenzufinden. Es war die
Zeit der Herbststürme. Hier an der nördlichen Küste von Wales
tobten sie immer mit urtümlicher Gewalt, peitschten die Wogen der irischen
See gegen den Strand, und niemand wagte es zu dieser Jahreszeit ohne triftigen
Grund die schützende Wärme seiner Behausung zu verlassen. Doch
jetzt hatte man sich versammelt, jetzt, heute an einem trüben Nachmittag
des Jahres 1625. "Hexe! Hexe!" Die wilde Gier brannte in den Augen der Menschen,
die wilde Gier, endlich Blut zu sehen. Das Blut einer Frau, einer Unschuldigen.
Doch in ihrem Wahn, in ihrer Besessenheit, verschwendeten die Schreier keinen
Gedanken an diese Frage. Wer gab ihnen das Recht, eine aus ihrer Mitte zu
verfluchen?
Professor Zamorra Nr. 27: Die Grotte der Gerippe
(Romanheft)
Rauch wölkte auf. Knisternd verbrannten dürres Holz und aromatische
Kräuter. Grünliche Schwaden stiegen empor und verteilten sich unter
der Decke der Höhle. Der weißhaarige Indio kauerte wie eine Statue
vor dem kleinen Feuer. Sein Kiefer mahlte und ab und zu schob er sich etwas
in den Mund, das wie die Scheibe irgendeiner Frucht aussah. Peyote - der
heilige Kaktus der Azteken. "Tukákame", murmelte der alte Mann mit
brüchiger Stimme. Und lauter: "Tukákame! Tukákame! Erscheine!
Zeige dich deinem Diener . . ." Heller flackerte das Feuer. Zuckender Widerschein
tanzte in den schwarzen, tiefliegenden Augen des Indios. Langsam griff er
zu der dünnen Lederschnur um seinen Hals, nahm den unscheinbaren Beutel
ab und öffnete ihn. Drei Schlangenköpfe brachte er zum Vorschein.
Nacheinander warf er sie ins Feuer. Seine Stimme murmelte, dumpf und
beschwörend. "Tukákame! Tukákame! Zeige dich! Sprich zu
deinem Diener! Nicht lange mehr wird Jacahiros Fuß auf dieser Erde
wandeln. Sage mir, wann du zurückkommst! Sage mir, wann sich der Fluch
erfüllt ... ?" Der Rauch des Feuers wurde dunkel, fast schwarz.
Beißende Schwaden breiteten sich aus, erschwerten das Atmen. Erneut
veränderte der Rauch seine Farbe, erglühte in dunstigem Rot, und
vor den Augen des Indios bildeten sich verschwommen die Umrisse einer
Erscheinung. Tukákame ... Der Herr der Unterwelt, der
gräßliche Gott des Bösen.