Monstrula Nr. 34: Der unheimliche Page

Monstrula Nr. 34: Der unheimliche Page


Im >Moby Dick<, einer Seemannskneipe an der Themse, ging es hoch her. Eine ausgelassene Menschenmenge feierte den Geburtstag des Besitzers so heftig, daß der Lärm weit auf das nächtliche, schwarze und von leichten Dezembernebeln überlagerte Wasser des Flusses hinaushallte. Auch einige Journalisten von Londoner Tageszeitungen befanden sich unter den Gästen. Jason Pincott war einer von ihnen. Wie die anderen war er nicht mehr nüchtern, hatte vom Alkohol und vom Lachen ein gerötetes Gesicht und leicht wäßrige Augen. Doch eines hob ihn aus der Menge der übrigen Gäste heraus. Er sollte nur noch fünfzehn Minuten leben. Eine dämonische Macht hatte bereits seinen Tod beschlossen. Die Nacht auf der Themse war still: In den Docks an beiden Ufern wurde um Mitternacht nicht gearbeitet. Der Verkehrslärm der nie zur Ruhe kommenden Millionenstadt drang nicht so weit, so daß nur das Glucksen und Gurgeln des träge dahinfließenden dunklen Wassers zu hören war. An den Ufern lagen Schleppkähne, Frachter und Flußschiffe vertäut. Hinter einigen Bullaugen brannte Licht, die meisten waren dunkel. Die Seeleute waren entweder an Land und amüsierten sich in den umliegenden Kneipen oder in Soho, oder sie lagen in ihren Kojen und schliefen sich für den nächsten arbeitsreichen Tagaus. Keiner dieser Menschen ahnte etwas von dem Grauen, das langsam die Themse heraufkam. Das kleine, schnittige Motorboot glitt langsam durch das Wasser. Der Außenbordmotor war auf schwächste Leistung gedrosselt, so daß sein Brummen kaum bis zu den verankerten Schiffen drang. Der Mann am Steuer des einsamen Bootes legte offenbar großen Wert darauf, nicht entdeckt zu werden. Deshalb hatte er auch die Positionslichter vorschriftswidrig gelöscht.


von M.R. Richards, erschienen am 08.12.1975, Titelbild: Olof Feindt