Monstrula Nr. 2: Grotte des Entsetzens

Monstrula Nr. 02: Grotte des Entsetzens


Der Mann saß mit dem Rücken zum offenen Fenster, durch das kühle Luft vom nächtlichen Friedhof hereinwehte. Die Gardine bewegte sich leicht, die Petroleumlampe flackerte kurz auf. Ein Totenvogel schrie über den Gräbern. Der Mann hatte vor sich einen Stapel Hefte liegen und verbesserte die Aufsätze seiner Schüler. Er schüttelte den Kopf. Einer der Aufsätze trug den Titel: Grotte des Entsetzens. "Eine blühende Phantasie haben die Kleinen", murmelte der Mann kopfschüttelnd. "Faselt da etwas von Vampiren und blutsaugenden Ungeheuern." Er hörte hinter sich ein Dielenbrett knarren. Dann spürte er auch die eisige Kälte, die durch das offene Fenster hereinstrich Eine Gänsehaut lief über seinen Rücken, als er sich langsam umwendete. Das Zimmer war leer. Durch das Fenster sah er das bleiche Mondlicht auf den Grabsteinen schimmern. Da! Der Lehrer fuhr von seinem Stuhl hoch. Waren dort nicht zwei Schatten über den Friedhof gehuscht? Er setzte sich wieder. "Jetzt sehe ich schon Gespenster", brummte er und machte sich erneut an die Arbeit. Die Schatten kamen auf das an den Friedhof grenzende Schulhaus zu. Lautlos glitten sie über die Mauer, dann durch den Garten, bis sie das ebenerdige Fenster erreichten.


von M.R. Richards, erschienen am 09.09.1974, Titelbild: Olof Feindt