Macabros Nr. 95: Verschollen in Dwylup
"Wir schaffen es nicht!" kreischte sie.- Ihr Gesicht war vor Angst und Grauen
entstellt.- Sie hing in ihren Haltegurten, klammerte, sich am Sitz fest und
sah elend aus. »Ich werde mein Bestes versuchen«, stieß der
Mann an ihrer Seite wütend hervor. "Reiß' dich zusammen! Es ist
nicht das erste Mal, daß du mit mir in der Kiste sitzt." "Aber es ist
das erste Mal, daß so etwas passiert!" Claire Monescues Stimme
überschlug sich. "Tu doch etwas! So tu doch endlich etwas!" "Owen Longfield,
dem zweiunddreißigjährigen Piloten des einmotorigen Sportflugzeugs
rann der Schweiß übers Gesicht. "Ich tu, was ich kann. Mach mich
nicht verrückt mit deiner Schreierei!" Er hielt den Steuerknüppel
mit beiden Händen umfaßt. Die Maschine tanzte dennoch in den heftigen
Windböen auf und nieder wie ein welkes Blatt. Lautstark klatschte der
tropische Regen gegen die Glaskuppel.
Rezension von
GoMar:
Kurzbeschreibung:
Owen Longfield und Claire Monescue geraten über dem Amazonasdschungel
in ein gewaltiges Unwetter, wodurch schlussendlich ihr einmotoriges Sportflugzeug
abstürzt. Doch zu ihrem Erstaunen zerschellt das Flugzeug nicht an den
Urwaldbäumen - sondern auf einem Wüstenboden mit einer unheimlichen
Stadt im Hintergrund! Claire sieht, dass ihr Freund Hilfe braucht, und da
tauchen auch schon einige Bewohner der Stadt auf - doch das nackte Entsetzen
packt sie, als sie die Gestalten genauer zu sehen bekommt: Es handelt sich
um die grauenvollen Dwylup-Monster!
Ak Nafuur teilt Björn Hellmark in seinem achten Brief mit, dass er es
diesmal besonders schwer haben wird: Björn muss die beiden auf der Erde
zurückgebliebenen Dwylup-Monster aufspüren, und er muss noch einmal
persönlich nach Dwylup gehen - ohne Macabros einsetzen zu können,
wie er weiß. Mit gemischten Gefühlen macht er sich daran, den
Spiegel der Kiuna Macgullyghosh in der alten Poststation in den Schweizer
Bergen aufzustellen, um die Monster anzulocken ...
Myrex, ein Schwarzer Priester aus der zweiten Reihe, begibt sich zu Albert
Faraux, einem angesehenen Banker, und erzählt ihm von Hellmarks Absicht,
denn Rha-Ta-N'my meint inzwischen zu erkennen, was ihr größter
Widersacher mit ihr vor hat. Faraux ist eines der zwei Dwylup-Monster, denn
sie können jede Gestalt eines Menschen annehmen, den sie zuvor getötet
haben. Dieses Treffen wird von Jürgen Dempowsky, einem Mitarbeiter der
"Amazing Tales" von Richard Patrick belauscht. Doch die beiden bemerken es
und verfolgen ihn umgehend. Auf einer leeren Autobahn gelingt es ihnen, sein
Auto zum Stillstand zu bringen - und Dempowsky erfährt am eigenen Leib,
was es heißt, einem Dwylup-Monster ins Auge zu schauen ...
Claire Monescue erhält eine Chance, mit ihrem Leben davonzukommen.
Dafür muss sie Björn überlisten und ihm ein Auge des Schwarzen
Manja entwenden, denn ein Auge brauchen sie wieder in Dwylup, um die Macht
Molochos' wieder zu festigen und gleichzeitig über die Welt der Menschen
herfallen zu können. In Dwylup scheint sich noch nicht herumgesprochen
zu haben, dass es Molochos nicht mehr gibt und dass er inzwischen als Ak
Nafuur verstorben ist. Claire willigt ein, denn dadurch kann sie auch ihren
Freund retten, der doch noch am Leben ist, aber sehr geschwächt scheint.
Es gelingt ihr tatsächlich, Björn in einer stürmischen
Gewitternacht davon zu überzeugen, dass sie sich nur noch auf Marlos
sicher fühlen kann. Er glaubt ihr, zumal er selbst gesehen hat, dass
Rani Mahay im Gegenzug nach Dwylup "gesaugt" wurde.
So macht er sich auf, seinen Freund zu Hilfe zu eilen, passiert seinen
Zauberspiegel - und merkt viel zu spät, dass er in eine gut vorbereitete
Falle der Dwylup-Monster läuft. Rani und Björn finden sich auf
dem Opfertisch vor dem Dämonenantlitz des Molochos wieder. Die Priester
warten nur noch auf das Auge des Schwarzen Manja, dann wird Björn Hellmark
als erster geopfert werden und sein Kopf eine derzeit noch freie Stelle in
einer Außenmauer zieren!
Wer aber soll Claire Monescue daran hindern, das Manja-Auge nach Dwylup zu
schaffen, denn niemand weiß, zu welchem Zweck sie sich wirklich auf
Marlos befindet ...
Meinung:
Der Roman beginnt sehr spannend, denn Begegnungen mit Dwylup-Monstern haben
es wirklich in sich. Und die Insassen des abgestürzten Flugzeuges bekommen
dies hautnah zu spüren - das Grauen von Dwylup. Auch das Wiedersehen
mit einem der beiden Dwylup-Monster, die 78 Romane zuvor
(MAC 17 "Dwylup, Stadt der
Monster") nicht mehr nach dort zurückkonnten, da Björn den Spiegel
wieder entfernte, gestaltet sich recht spannend, da sich gleich eine dramatische
Verfolgungsjagd entwickelt, deren Leidtragender ein Reporter der "Amazing
Tales" wird. So wird die Spannung in den ersten knapp 40 Seiten kontinuierlich
aufgebaut - um dann dem Ende zu doch erheblich abzuflachen.
Dieser 2. Teil der Dwylup-Saga erlebt das gleiche Schicksal, das Nachfolgeromanen
oft passiert: Sie können den Spannungsbogen nicht mehr so wirklich halten.
Folgt man in MAC 17 Björn
Hellmark noch mit klopfendem Herzen in die Monsterstadt, so muss ich zumindest
für mich selbst feststellen, dass hier der Schwung doch merklich abgenommen
hat. Es scheint so, als wäre das Thema Dwylup ausgereizt gewesen, und
irgendwie ist es das wohl auch. So tödlich der Anblick der Monster auch
für einen Menschen ist, so lähmend agiert hier Björn Hellmark
und seine Riege. Ja, seit Björn den "13-Wege-Zyklus" beschreitet,
beschleicht mich immer wieder das Gefühl, dass er irgendwie neben sich
steht: Björn wirkt wie ein Bremsklotz. Im vorliegenden Roman sind die
Fremdparts recht spannend gestaltet, aber sobald Björn und seine Mannen
und Frauen auftauchen, wird's lähmender. Obwohl Björn sich nach
vielen weiteren Mitstreitern sehnt, muss ich sagen: es sind jetzt schon zu
viele! In diesem Roman werden viel zu viele Marlosianer eingebaut. Björn,
Rani, Whiss, Jim, der Guuf, Carminia sowie Danielle und Pepe (die beiden
wenigstens nur kurz beim Fischen) und dann noch Arson, der sich natürlich
wieder mal wie ein Schuljunge von den Dwylup-Monstern überlisten lässt
(wie sollte das auch anders sein)! Natürlich wird er nur gefesselt und
geknebelt und muss ihnen nicht ins Gesicht schauen; da man den Grund dafür
schon im vorhinein weiß, dümpelt bei Marlosianer-Szenen die Spannung
oftmals nur so dahin, leider! Auch Björn wird wieder gleich gefangen
genommen, gerade mal zwei Dwylup-Monster kann er mit seinem magischen Schwert
abmurksen (dass er gleich bei seiner Ankunft die Dämonenmaske aufsetzen
hätte können und so alle Monster alsbald vernichtet worden wären,
fiel ihm natürlich nicht ein!), und so liegt er gleich wieder neben
Rani auf dem Opfertisch - und sie flachsen wieder lustig miteinander
herum!
Wenig überraschend wird wieder der handtellerkleine Whiss der
übergroße Retter (wozu hat man sonst elf ausfahrbare Noppen am
Kopf?), der auch gleich mal eine Sintflut in diesem dämonischen Reich
erzeugt, damit die Monster merken, dass sie doch besser die Bibel studieren
sollten anstatt Menschenknochen zu kauen. Wozu er aus einem toten Monsterbatzen
eine identische Björn-Hellmark-Kopie samt Kleidung anfertigt, weiß
wohl nicht einmal er selbst ...
Ein anderes Detail: Richard Patrick fliegt auch in den Amazonas-Urwald und
gerät in den Dwylup-Saugsturm, aber hier wird das Flugzeug in der Mitte
auseinandergerissen. Ein Mann landet in Dwylup auf Nimmerwiedersehen, einer
bleibt auf der Erde zurück: Einmal darf geraten werden, um wen es sich
bei dem auf der Erde Zurückbleibenden handelt. Bingo! Natürlich
Richard, wer denn sonst?! Und Macabros hört ihn dann auch noch im Dschungel
weit entfernt rufen - und das mitten in einem Unwetter, wie das die braven
Padres in der nahegelegenen Mission noch niemals erlebt haben. Tja, es geht
halt nichts über gute Ohren ...
Carminia hat eine Vision, als sie zwei Manja-Augen aus der Schatulle holt:
Es scheint ihr momentan, als wäre das dritte noch verbliebene auch kurz
weg gewesen! Doch dann ist es wieder da, und sie meint, sich einfach
getäuscht zu haben. Diese "Vision" wird noch schwerwiegende Folgen nach
sich ziehen, davon aber erst ein paar Romane später. Dafür "hopst"
sie mal wieder direkt in ein Krankenzimmer, erledigt so nebenbei ein
Dwylup-Monster - und "hopst" wieder zurück nach Marlos (zu Kaffee und
Kuchen?). Diese "Herumhopserei" empfinde ich langsam als immer nervtötender
...
Irgendwie bin ich doch froh, dass Christian Montillon als Dan Shocker neu
in den Macabros-Hardcovern damit Schluss macht; bin nur gespannt, was er
statt dessen den Marlosianern für Reisemöglichkeiten anbietet
...
Als Letztes: Dem Lektor ist wieder mal ein ziemlicher Fauxpas passiert. Auf
Seite 17 des Originalromans (gleich neben der Fan-Seite) im 2. Absatz steht
geschrieben: Er ließ den Spiegel Hellmarks seinerzeit stehen. Da sieht
man mal wieder, was ein fehlender Buchstabe für eine gewaltige
Sinnänderung erzeugen kann! Natürlich muss es heißen: Er
ließ den Spiegel Hellmarks seinerzeit stehlen. Denn hätten die
Einbrecher ihn damals nicht gestohlen, sondern stehen gelassen, hätten
die Dwylup-Monster nicht auf die Erde gekonnt und hätte ...
Im Neuabdruck des Blitz-Verlages wurde dieser Fehler lobenswerterweise behoben
...
Fazit: Das Sequel des ersten Dwylup-Romans kann die Erwartungshaltung nicht
befriedigen, obwohl sich die Monster redlich Mühe geben,
monstermäßig unterwegs zu sein. Es liegt auch nicht an ihnen,
sondern eindeutig an den Marlosianern, die hier einfach zu gehäuft auftreten
und dadurch selbst die Spannung killen. Rani beispielsweise liegt nur mal
so in Dwylup herum, damit er mit ein paar Flachsereien einige Zeilen füllen
kann, mehr nicht! Arson läuft am Ende in Dwylup ein wie ein Austauschspieler
im Fußball, der aus taktischen Gründen in den letzten zwei Minuten
noch eingewechselt wird. Und bei der Flucht aus Dwylup vergisst Björn
Hellmark in der Hektik einmal mehr, sein magisches Schwert, das im
Wüstenboden steckt, wieder mitzunehmen. Al Nafuur wird's ihm wohl des
Nachts unter den Kopfpolster legen! Auf den Punkt gebracht: Zu viele Jäger
sind des Hasen Tod - und verschollen ging in Dwylup vor allem im letzten
Drittel die Spannung!
Besonderheiten:
1. Claire Monescue landet in Dwylup und bekommt einen Auftrag von den
Monstern.
2. Björn Hellmark muss ein weiteres Mal nach Dwylup, der Stadt der
Monster.
3. Whiss löst eine "Sintflut" in Dwylup aus und kühlt so die Monster
etwas ab ...
4. Carminia sieht kurzzeitig wie in einer Vision ein Manja-Auge weniger
...
5. Als Innen-Illustration wird wieder Björn Hellmark alias Macabros
gezeigt.
6. Dieser Roman erschien im Blitz-Verlag als 1. Teil des Macabros-Doppelbandes
Nr. 43, gedruckt erstmals in der neuen deutschen Rechtschreibung.
3 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Das Titelbild entspricht der Szene im Roman, als Claire Monescue in die
Hände der Dwylup-Monster fällt und es vermeidet, sie anzusehen.
Das Monster im Vordergrund ist schön schaurig dargestellt, wenn ich
auch nicht ganz verstehe, warum ich mich beim Betrachten nicht in Staub
auflöse ... Im Hintergrund ist die Stadt silhouettenhaft angedeutet,
ebenso die Köpfe im Mauerwerk. Gut gemalt erscheint mir auch der
Fischmauleingang. An der Frau im Vordergrund und an dem Flugzeugwrack erkennt
man die in Dwylup herrschende flirrende Hitze (dadurch etwas unscharf
aussehend).
Coverbewertung: