John Sinclair Nr. 1693: Letzte Zuflucht: Hölle
Es war eine Abkürzung, die zwei Menschen zum Verhängnis werden
sollte. Die junge Frau wollte nur schneller ihr Haus erreichen, weil sie
den Regen fürchtete, der bald niederprasseln würde. Der Weg durch
die Gasse würde ihr mehrere Minuten Zeitgewinn bringen. Es war ein Fehler.
Doch den bemerkte die Frau erst kurz vor dem Ende der Gasse
von Jason Dark, erschienen am 21.12.2010, Titelbild: Okon
Rezension von
VoXpOpZ:
Kurzbeschreibung:
In dem kleinen schottischen Dorf Melrose verschwinden Kleinkinder und
Säuglinge, um kurze Zeit später äußerlich unversehrt
wieder aufzutauchen. Eine Kindergärtnerin bittet John, der Sache auf
den Grund zu gehen. Der Geisterjäger findet heraus, dass Asmodis die
Kinder entführen lässt, um ihnen den Keim des Bösen einzupflanzen.
Meinung:
Ein Roman, der gut beginnt, in der zweiten Hälfte aber deutlich verliert
und letzten Endes nicht überzeugt. Grund dafür ist die dann doch
leider sehr flache Handlung, die sich teils endlos hinzieht und immer mehr
an Fahrt verliert. Das ist sehr, sehr schade, denn im Kern bietet die Geschichte
Potential, und die Passagen, in denen es so richtig zur Sache geht, machen
einen guten Eindruck. Wiebkes beklemmende Erkundung des verlassenen Bahnhofs
beispielsweise, das Auftauchen der Höllenkreaturen in der Station oder
Johns Gespräch mit Asmodis sind atmosphärische Höhepunkte
des Hefts. Die Reise des Geisterjägers nach Schottland wird für
ihn außerdem zu einer Reise in seine persönliche Vergangenheit:
John gedenkt der verstorbenen Eltern, die ganz in der Nähe gelebt haben
und will Lauder besuchen. Leider ist dieser Besuch nicht mehr Gegenstand
des Romans. Stattdessen werden viel zu viele Seiten verschwendet, auf denen
die Figuren immer wieder über dieselben Dinge reden, ohne sich entscheidend
vorwärts zu bewegen: Stellentreter, die die eingangs flüssige Handlung
ausbremsen.
Vielleicht hakt es aber auch wegen der zahlreich vorhandenen Logiklöcher.
Zum Beispiel stellt sich unweigerlich die Frage, warum die Corners ihr
zurückgebrachtes Baby am Abend noch ablehnen - es am nächsten Morgen
aber schließlich doch wieder bei sich aufnehmen. Warum will sich John
nach seiner Ankunft in Melrose um die bereits entführten und
zurückgekehrten Kinder kümmern, obwohl es doch ratsamer wäre,
die restlichen Kinder des Dorfs erst einmal in Sicherheit zu bringen und
vor Asmodis zu schützen?
Doch anstatt diesen Fragen nachzugehen, schreibt der Autor immer weiter Richtung
Hölle. Das Finale gerät dann leider auch höllisch überzogen.
Sechs Kleinkinder (darunter sogar Säuglinge) gehen mit Messern auf eine
wehrlose Frau los, aber John bringt es einfach nicht übers Herz, die
Frau zu retten, indem er die Kinder erschießt. Hier bekommt er himmlische
Hilfe: sechs Schutzengel löschen Asmodis' bösen Keim, und die Kinder
überleben - sehr zur Erleichterung des Lesers. Auch wenn dieses Ende
eine Alternative zu den gängigen Schlüssen mit Kreuz, Beretta oder
Buddhas Stab darstellt, wirkt es stellenweise doch recht lächerlich,
und es befriedet nicht völlig. Hier fehlt ein knalliger Abschiedsauftritt
von Asmodis, und es bleibt die Frage, warum der Teufel nicht einfach wieder
neue Kinder klauen sollte, wenn John abgereist ist.
Der Titel des Hefts ist übrigens einzig vom Cover her motiviert: eine
junge Mutter mit Kind sucht und findet Unterschlupf an einem Ort, der in
Anbetracht seiner Bewohner nur die Hölle sein kann. Leider greift der
Autor dieses Titelbildmotiv nicht auf, sondern interpretiert es neu. Wiebke
Hiller, eine junge Durchreisende aus Deutschland, findet auf dem verlassenen
Bahnhof ein Baby, das vom Teufel besessen ist. So weit, so gut. Nur sucht
sie nicht eine Sekunde lang Zuflucht in dieser Höllen-Ruine, sondern
wendet sich ausgerechnet an die Kirche! Auch das Gerede von Benson (der
klischeemäßig beschriebene Dorfälteste auf der Bank in der
Sonne), der den Bahnhof als letzte Zuflucht Hölle bezeichnet, ist nur
ein müder Versuch, den Titel irgendwie in den Roman einzubinden und
ihn so zu rechtfertigen.
Fazit: Mit einer guten Grundidee, die in Ansätzen auch schön umgesetzt
ist, verliert sich der Roman schließlich doch in langweiligen Dialogen,
logischen Fehlern und einer lückenhaften Dramaturgie.
2 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Sehr unheimliches, sehr gutes Cover. Schade, dass es nicht stärker in
die Geschichte eingearbeitet worden ist.
Coverbewertung: