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Andernach - 24.12.2003 / 15:00 Uhr
Easy saß auf einem Stuhl im Wohnzimmer der Bergers und kontrollierte
zum x-ten Mal seine Waffe. Aus dem Radio plärrte ihm Wham entgegen,
die ihren Song von der letzten Weihnacht zum Besten gaben. Der Sonderermittler
hatte sich noch nie derart einsam gefühlt und so ohne Hoffnung. Ihm
war, als sei er völlig allein auf der Welt. Wenn man es genau nahm,
traf dies sogar zu. Seine Fast-Ex-Freundin war tot, die Noch-Nicht-Ganz-Freundin
befand sich auf Lady J.'s Insel, zu der seit Tagen kein Kontakt mehr bestand.
Seine eigene Mutter war ebenso niedergemetzelt worden wie Lindas Altvordern.
Die Blonde war auf der Insel und nicht zu erreichen, Lady L. ebenso, und
Janina saß in Frankfurt im Konvent, bewachte den Jungen mit dem dunklen
Keim und hatte gleichzeitig versprochen, sich um die Beerdigung von Easys
Mutter und Lindas Eltern sowie den Papierkram zu kümmern. Auch wenn
sie nicht alle Dinge regeln konnte, blieb Easy die Zeit, zumindest Jaquelines
Eltern zu beschützen. Versagte er hier, das befürchtete er, würde
ihm Jaqueline das Blut aus den Adern saugen und seine Leiche wie eine leer
getrunkene Cola-Dose auf den Müll werfen. "Möchten Sie etwas trinken,
Herr Ryder?" Jaquelines Mutter riss ihn aus seinen Gedanken. Er schaute auf,
schüttelte aber dann den Kopf. Er war nicht durstig. Und wenn, dann
nicht nach einem Kaffee oder Tee. Ihn dürstete danach, die Killer seiner
Mutter zur Strecke zu bringen. Ihnen eine Kugel in den Kopf zu jagen, um
sie elendig krepieren zu sehen. Bei seiner eigenen Mama war er zu spät
gewesen. Ebenso bei den Eltern von Linda Zimmermann. Diesmal nicht. Er wusste,
dass sie kommen würden. Früher oder später. Seit seiner Ankunft
in Andernach hatte Easy viel Zeit damit verbracht, sich die Situation
vorzustellen. Wie mochte es sein, wenn die Werwölfe kamen? Klingelten
sie und verschafften sich unter einem Vorwand Zutritt? Oder stürmten
sie das Haus? Nein. Bisher hatten sie nie die Tür oder ein Fenster
beschädigt. Sie mussten eine andere Methode kennen, um zu ihren Opfern
zu gelangen. Vielleicht erzählten sie den besorgten Eltern, ihren Kindern
sei etwas zugestoßen. Einen besseren Weg zu den Wohnungen und Häusern
gab es einfach nicht. "Sie sind also ein Kollege meiner Tochter", setzte
Frau Berger das Gespräch fort. "Haben Sie auch... studiert?" "Nein.
Ich bin Ermittler. Aber als Kollege Ihrer Tochter würde ich mich nicht
bezeichnen. Sie ist... war... meine Vorgesetzte und durch sie wurde ich zum
Sonderermittler. Sie haben eine coole Tochter." "Ja, den Eindruck habe ich
auch. Obwohl sie mir in letzter Zeit etwas fremd geworden ist. Vor allem,
seit sie uns ihre Freundin vorgestellt hat. Wir wussten nicht, dass sie...
Egal." Easy nickte. Der Geruch von frisch gebackenen Plätzchen stach
ihm in die Nase. Früher hatte er es geliebt, seiner Mutter in der
Küche zu helfen, vor allem an Weihnachten, wenn die Kekse gebacken und
das Dinner vorbereitet wurden. Überall hatte es nach Zimt und Lebkuchen
gerochen, Geschenke hatten bereitgelegen und der gesamten Zeit hatte etwas
Mysteriöses angehangen. In diesem Moment hasste er Weihnachten. Seine
Mutter war tot, der Terror hatte Einzug gehalten in seine Welt. Eine Träne
lief über seine Wange. Rasch wischte er sie weg. Hier wusste niemand,
was sich ereignet hatte. Nur dass Jaquelines Job Vater und Mutter Berger
in Gefahr gebracht hatte und er gekommen war, um sie zu beschützen.
Das war nicht viel, aber es reichte. Dies hatte er in den Gesichtern des
schon älteren Pärchens gelesen.