Der Hüter Nr. 9: Das Haus der Geisterfrau

Der Hüter Nr. 9: Das Haus der Geisterfrau


14. März 1994…
Manche Leute waren wirklich zu dumm. Henrik Anschildt musste unwillkürlich grinsen. Ach, wenn es doch immer so einfach wäre. Wer immer hier auch wohnte, diese Personen waren sehr nachlässig. Ein Fenster im Erdgeschoss auf Kipp zu stellen war wirklich ein Fehler, der nach einer Strafe schrie. Und er, Henrik, war der geeignete Mann dafür, diesen Leuten ein gerechtes Urteil zu sprechen. Es war für den geübten Mann ein Leichtes, das Fenster zu öffnen. Er musste es nicht einmal aushebeln noch irgendwie Gewalt anwenden. Schon nach wenigen Augenblicken konnte er das Fenster langsam und leise nach innen drücken. Das war ja wirklich zu leicht. Er blickte sich noch einmal um. Das Haus befand sich etwas abseits der Strasse, ein einfaches Fachwerkhaus mit zwei Stockwerken. Nun, in das obere Stockwerk würde er nicht eindringen. Möglicherweise konnte er sich dadurch auch in eine etwas prekäre Situation bringen, sollten die Hausbesitzer überraschend wach werden. Er war erfahren genug, so etwas nicht zu tun. Im Erdgeschoss würde er genügend finden, was sich zu Stehlen lohnte. Diese einsamen Häuser waren wirklich immer eine lohnende Sache. Henrik hielt sich nicht oft in dieser Gegend auf. Überhaupt wechselte er oft das Gebiet, in dem er tätig war. Ortswechsel waren eine Sicherheit. So etwas durfte man nicht unterschätzen. Wenn es zu heiß wurde, dann setzte er sich für eine Zeit ganz ab. Er verdiente mit seinen kleinen Beutezügen genug, um sich auch einige Zeit ohne Tätigkeit über Wasser halten zu können. Der Fenstersims war nicht sonderlich hoch. Henrik war schlank und drahtig. Sein Körper war gut trainiert. Mit einem Satz sprang er auf das Fensterbrett.


von Norbert F. Aichele, erschienen im April 2007
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