Gespenster-Krimi Nr. 350: Höllenträume

Gespenster-Krimi Nr. 350: Höllenträume


Der Sturm wühlte in dem Wasser der Seine, überzog es mit grauer Gischt und warf die kleinen Vergnügungsdampfer, die Mouches, am Kai gegeneinander, dass sie dröhnten wie Kesselpauken. Blitze zogen ein unheimliches, schwefelgelbes Lichtnetz über den Montmartre, und auf der Spitze des Eiffelturms schepperte es, als könnte das Wahrzeichen von Paris jeden Augenblick wie ein Baugerüst zusammenstürzen. Für Lucile Verniet, die zum ersten Mal aus der Provinz nach Paris kam, war dieses Gewitter über der Hauptstadt ein schrecklicher Auftakt. Und dabei war sie mit so viel freudiger Erwartung aufgebrochen. Als sie im Gare du Nord ankam, hingen die Gewitterwolken noch regungslos wie Blei über dem rußgepuderten Glasdach des Bahnsteiges. Die Luft in der Bahnhofshalle war stickig, treibhausschwül: Lucile war ein sehr sensibles Geschöpf. Sie bekam schon Kopfschmerzen, wenn sie sich in der Nähe einer Starkstromleitung befand. Und jedes Gewitter löste bei ihr eine schreckliche Migräne aus.


von Frank Ulman, erschienen am 27.05.1980, Titelbild: Victor